Die ersten Röntgenröhren nach der Entdeckung der Röntgen-Strahlen.

 

Tube Museum / Collection
Udo Radtke,  Germany
  2020-04-01


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Merkwürdige Artikel und Pressemitteilungen

Wer die Geschichte nicht genau kennt, ist oftmals geneigt, irgend welchen Veröffentlichungen Glauben zu schenken. Diese werden machmal von Redakteuren geschrieben, die sich auf irgend welcher Aussagen oder anderweitigen Veröffentlichungen beziehen. Dabei wird nur selten geprüft, ob sie auch den Tatsachen entsprechen.

Werden Artikel von Firmen veröffentlicht, so wird oft der Inhalt zur eigenen positiven Darstellung gestaltet. Der Leser soll glauben, dass z.B. wichtige Entwicklungen der Firma zuzuchreiben sind, auch wenn das überhaupt nicht stimmt.

Hier ein typischen Beispiel: >>

https://www.medmuseum.siemens-healthineers.com/de/geschichten-roentgentechnik/besondere-roehre 

Dazu der Textauszug:

. Bereits drei Tage nach Bekanntwerden der Entdeckung starten wir die Konstruktion unserer ersten medizinischen Röntgenröhre. Wilhelm Conrad Röntgen persönlich findet unser Fabrikat „in der That sehr gut“ und bestellt – zunächst per Postkarte, dann per Brief – für seine Versuche weitere Röhren bei uns.

Hier wird suggeriert, das man sofort nach Bekanntwerden der Röntgenstrahlen mit der Konstruktion und der Herstellung einer ersten eigenen Röntgenröhre begonnen habe und diese dann sofort an Röntgen geliefert wurde, der sie dann gut gefunden haben will.

Richtig ist, dass diese Röntgenröhren erst Mitte 1896 von Emil Gundelach, Gehlberg, für RGS gebaut wurden und danach von RGS vermarktet wurden. Es sind genau diese Röhren, die dann an Röntgen gingen, zu denen er sich anschließend wohlwollend äußerte und nachbestellte. Hier wir es aber so dargestellt, als sei es Röhren von Siemens gewesen.!!!


Die Entdeckung der Röntgenstrahlen

Die Entdeckung erfolgte durch Wilhelm Conrad Röntgen am 08. Nov.1895. Er ging aber erst am 01.Jan.1896 mit seiner "Ersten Mittheilung" an die Öffentlichkeit. Bis dahin führte er noch viele Versuche durch, um weitere Besonderheiten herauszufinden und absolut sicher zu sein.

Wohl alle namhaften Glasbläser, vornehmlich solche aus Thüringen, dürften  schon lange vor der Entdeckung der Röntgenstrahlung, Röhren für Gasentladungsversuche und ähnliches, an die Wissenschaftler, wie Röntgen, geliefert haben.

Die ersten Versuche mit Röntgenstrahlung fanden mit zunächst noch zylindrischen Röhren statt. Das Ende des Glaskolbens wirkte als Antikathode, die Strahlung war jedoch noch ziemlich diffus.

Röntgenröhre # 18650 frühe Müller / Replica 

Replika einer frühen zylindrischen Röntgenröhre


Fotos von erstern Versuchen zeigen dann überwiegend konische Ausführungsformen, wobei Cossor erstmals sogar einen Ring zur Fokussierung der Kathodenstrahlen einbaute.

  Cossor Röntgenröhre mit fokussierender Anode

Röntgenversuche Swinton Cossor

Vorführung einer Röntgenaufnahme durch Campbell-Swinton im Februar 1896

Die  nachfolgenden Zeichnungen und Erläuterungen in der Tabelle entstanden 1916 oder wenig später, angefertigt  von Max Gundelach, als an mehreren Orten versucht wurde, anlässlich des 20sten Jahrestages der Entdeckung die Geschichte der Röntgenstrahlen und ihrer Anwendung in der Medizin zu dokumentieren.



Wie aus der handschriftlichen Bemerkung hervorgeht, wurde die Aufstellung an Geheimrat Prof. Dr. P. Krause, Münster (Vorsitzender der Röntgengesellschaft) und an Prof. Dr. Guido H. Holzknecht, Wien gesandt. Beide sind hervorragende Röntgenologen aus der Frühzeit der Radiologie und leisteten wesentliche Beiträge auf diesem Gebiet.

Die Zeichnungen Max Gundelachs sind ein einzigartiges Zeugnis des Beitrages der Gehlberger Glasindustrie zur Entwicklung der Röntgenröhren von Röntgens Entdeckung 1895 bis Ende der zwanziger Jahre.

Diese seltenen Röhren sind heute noch in der Uni-Klin Leipzig vorhanden.

Gundelach Conus-Röhre

Original Gundelach "Conus"-Röhre Januar 1896 noch vorhanden in der Uni-Klinik Leipzig.


Recht bald aber erkannte man, dass die von der Kathode ausgehenden Kathodenstrahlen möglicht gebündelt, also fokussiert, auf einen möglichst kleinen Bereich der Antikathode aufschlagen sollten. Man sprach jetzt von der "Focus"-Röhre. Darin wurde bereits eine schräggestellte Platinfolie als Antikathode verwendet.

Zylindrische Ausführungen dieser Röhren sollen seinerzeit von Greiner & Friederichs, Stützerbach, angefertigt worden sein.

In dem Link: https://new.siemens.com/history/de/aktuelles/1064_roentgenroehre.html , der aktuell nicht mehr erreichbar ist, präsentierte Siemens seine erste Röntgenlampe wie folgt:

Siemens Röntgenlampe

ferner in den S&H Nachrichten Nr. 4 vom 28.Jan. 1897

Siemen & Halske Mitteilung Nr.4

in beiden Fällen wird diese Röhre mit dem Patent D.R.P. 91028 vom 24. März 1896 in Verbindung gebracht.
Wörtlich heißt es hier: Röntgenlampe, Deutsches Reichs Patent 91028

Schaut man sich diese Patentschrift an, stellt man fest, dass es sich überhaupt nicht auf eine solche Röhre bezieht. Der genau Titel der Patetschrift lautet:
Siemens-Hittorf-Patent

Auszug auf der Patentschrift  D.R.P. 91928 vom 28.März 1896



Also ist nicht bewiesen, dass die dargestellte Röhre überhaut schon am 28. März 1896 (Datum des Patentes) existierte. Wenn ja, dann war es vielleicht die erste von oder für S&H hergestellte Röntgen-Röhre, aber keinesfalls die nach dem genannten Patent. Dennoch schreibt Siemens:


Bereits drei Monate nach Entdeckung der Röntgenstrahlen durch Wilhelm Conrad Röntgen 1895 in Würzburg wurde S&H am 24.März 1896 unter der Nummer D.[eutsches] R.[eichs] P.[atent] 91028 ein Patent auf „Eine neue Röntgenlampe mit regulierbarem Vakuum“ erteilt.
 
Röhren in zylindrischer Ausführung, wie die von Siemens dargestellte, gab es bereits schon bei den Versuchen von Röntgen, also nichts Neues.

Auch Emil Gundelach stellte bereits im Februar 1896 eine  Newton`sche Fokusröhre her, eine ovale Variante.


Gundelach Newton-Röhre

Original Gundelach Newton-Focus-Röhre aus Februar 1896


Im März 1896 erschien dann bei Gundelach bereits eine Fokusröhre in Kugelform, auch "Kugelröhre" bzw. "Kugelapparat" genannt. Die ersten davon gingen an die physikalische Abteilung der Universität Jena, zu Händen von Prof. Winkelmann und Dr. Straubel, die bereits damals schon Röntgenaufnahmen mittels Verstärker-Folien machten.

Die schrieben beide am 01.Mai 1896 an Gundelach einen Brief, lobten diese Röhren und baten um eine weitere Lieferung.

Im Mai 1896 erschien von Gundelach ein Inserat mit zeichnerischer Abbildungen der "Conus-Röhre" in 3 Größen, sowie der "Kugel-Röhre". Im gleichen Inserat wurde der Brief von Prof. Winkelmann und Dr. Straubel abgebildet.


Gundelach Inserat Mai 1896


 Kugelröhre von Gundelach 1896                 Gundelach Kugelröhre Science Museum London

Vorhandene Röhre in der Uni-Klinik Leipzig                    Vorhanden im Science-Museum London

Gundelach Kugelröhre März 1896

Original Gundelach Kugelröhre (Kugelapparat) März 1896, noch vorhanden in der Uni-Klinik Leipzig

Ein naturgetreuer Nachbau dieser Röhre wird im Spätsommer 2020 im Museum "Thüringer-Museumspark" in Gehlberg zu sehen sein, genau an der Stelle, wo Emil Gundelach sie seinerzeit im März 1896 herstellte.

Etwa im Juni 1896 trat dann Dr. phil. Josef Rosenthal, ein Ingenieur bei Reiniger, Gebbert & Schall (RGS) mit einer Zeichnung an Gundelach heran, um solche Röhren in Serie für RGS bauen zu lassen. Diese Ausführung wurde dann auch in der Folgezeit exklusiv an RGS geliefert.


Vorlage der RGS-Röhre gemäß Zeichnung im Siemens Archiv

Hier die Ausführung dieser Röhre für erste Testzwecke.

Kugelröhre für RGS, Prototyp

Von Gundelach für Reiniger-Gebbert & Schall ab Mitte 1896 hergestellte Röhre 

Original RGS-Röhre, hergestellt von Emil Gundelach ab Mitte 1896

Diese abgebildete Röhre #18390 war auch die Vorlage für die von Siemens-Rudolstadt Ende 2019 nachgebaute "Besondere Röhre".

Mit einer solchen RGS-Röhre stellte Rosenthal dann erst im Oktober 1896 das bekannte Röntgenbild eines Kopfes her und schickte es an W.C. Röntgen.

Am 03. November 1896 schrieb Röntgen eine Postkarte an RGS, lobte die gute Qualität des Fotos und bat um Lieferung solcher Röhren, von denen RGS ihm dann 2 Stück schickte.

Er lobte später die gute Qualität der Röhren, bat um weitere Lieferung, wünschte aber einen reduzierten Preis.

Dies alles liegt zeitlich deutlich hinter der Entwicklung erster Röntgen-Röhren bei Emil Gundelach.

Gundelach brachte dann im Herbst 1896 eine Weiterentwicklung der RGS-Röhre heraus, die Gundelach dann  erfolgreich selbst vermarktete.





Weiter entwickelte Gundelach Röntgenröhren ab Herbst 1896

Eine ebenfalls im Herbst entwickelte Röhre war die sogenannte "Funnel"-Röhre, deren Antikathode aus einem beschichteten Trichter bestand. Eine Exemplar davon befindet sich heute noch im Science-Museum, London.

RGS bezog noch einige Jahre seine ersten Röhren von Gundelach und bot danach, wie sich aus den RGS-Katalogen ergibt, auch Röntgenröhren aller namhaften Hersteller an, nur keine eigenen, selbst hergestellten.

Auch CHF Müller baute bereits 1896, als einer der Ersten, verschiedene Ausführungen, von deren Anwendung oder Abnehmer mir bislang  nichts bekannt wurde.

Die einzige Firma, die sonst noch in 1896 auf dem Markt kam, war die AEG mit ihrer Bifocal-Röhre, die dann aber in der praktischen Anwendung keine Bedeutung erlangte.

AEG Doppel-Focus-Röhre

Siemens berühmt sich heutzutage in einigen Veröffentlichungen, einer der Ersten bei der Entwicklung von Röntgenröhren dabei gewesen zu sein. In einem Artikel schreibt man z.B, bereits 3 Tage nach der Veröffentlichung der Entdeckung der Röntgenstrahlen mit der Entwicklung begonnen zu haben.

Mag sein, aber gesehen habe ich bis heute noch keine einzige Röhre, die zu der Zeit von Siemens hergestellt wurde.

Es war erst die von Emil Gundelach Mitte 1896 für RGS hergestellte Röntgenröhre. RGS wurde erst Jahrzehnte später von Siemens übernommen. Da verwundert schon die Ausdrucksweis "wir" waren die Ersten.

Hier die Details zu >>RGS                                                          
Hier alle Details zu Gundelach >>Gundelach

Hier alle in meiner Sammlung vorhandenen >>Ionen-Röntgen-Röhren

 


 
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